Wer wegsieht, macht sich mitschuldig

Die Türkei geht brutal gegen die PKK auch in Städten vor. Die EU schweigt aus Eigeninteresse. Beschämend.
Walter Friedl

Walter Friedl

Die Türkei geht brutal gegen die PKK auch in Städten vor. Die EU schweigt aus Eigeninteresse. Beschämend.

von Mag. Walter Friedl

über den Kurdenkonlikt

Manchmal ist Realpolitik ziemlich unappetitlich: Weil sich die EU wegen der Flüchtlingsströme nicht mehr zu helfen wusste, pilgerte sie zu dem vormals zu Recht gescholtenen türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan und machte ihn auf europäischem Parkett wieder salonfähig. Und dies, obwohl der "Sultan" dem Land am Bosporus einen "Autoritarismus" der Sonderklasse übergestülpt hat, wie der Türkei-Experte Cengiz Günay im KURIER-Interview sagt (siehe Seite 7). So weit, so – zumindest – fragwürdig.

Dass er diese neue Partnerschaft mit Brüssel, versüßt mit ein paar EU-Milliarden, jetzt aber derart schamlos ausnützt, um mit aller Härte gegen die kurdischen Rebellen der PKK vorzugehen und dabei auch zivile Opfer in Kauf nimmt, ist völlig inakzeptabel, das Schweigen der EU ebenso.

Gewiss: Die PKK-Kader sind wahrlich keine Waisenknaben und haben selbst ein Interesse an einer Ausweitung der Kampfzone. Doch wer Scharfschützen in Position gehen lässt, den Befehl gibt, mit schwerem Gerät in Wohngegenden zu feuern, und die kurdische Bevölkerung als Ganze unter Generalverdacht stellt – der führt Krieg gegen sein eigenes Volk, respektive gegen einen Teil des Volkes. Dagegen muss jeder Demokrat aufstehen.

Erdogan darf sich nicht darauf verlassen können, dass sich die EU, für die er im Grunde ohnehin nicht viel übrig hat, ihren neuen "Flüchtlingskoordinator" nicht zu kritisieren traut. Wenn es um Menschenrechte und Demokratie geht, darf es keine faulen Kompromisse geben. Gerade die Union hat die Fahne der Freiheit stets hochgehalten. Dass sie derzeit auf halbmast weht, ist nicht nur beschämend, sondern rüttelt an den Grundfesten. Denn: Wer bei Gräueltaten, zumal staatlich angeordnet, wegsieht, macht sich mitschuldig.

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