Die Ukraine verstärkt ihre Abwehr

Russland droht wegen angeblicher Terrorpläne der Ukraine auf der Krim mit einem Verhandlungsabbruch. Kiew spricht von Provokationen, markiert militärische Stärke, ruft aber auch zu Gesprächen auf.

Daniel Wechlin, Moskau
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Krim, Russland, für immer: Ein Plakat mit dem russischen Präsidenten Putin in Kertsch lässt keine Zweifel an der Zugehörigkeit der Halbinsel aufkommen. (Bild: Reuters)

Krim, Russland, für immer: Ein Plakat mit dem russischen Präsidenten Putin in Kertsch lässt keine Zweifel an der Zugehörigkeit der Halbinsel aufkommen. (Bild: Reuters)

Russland und die Ukraine drehen erneut gefährlich an der Eskalationsspirale. Präsident Putin hat Kiew die Planung von Terroranschlägen auf der annektierten Krim vorgeworfen. Laut Moskau konnte jedoch zweimal eine Infiltration «ukrainischer Saboteure» vereitelt werden. Dabei sollen sieben Personen festgenommen, ein ukrainischer Spionagering ausgehoben sowie bei Gefechten ein Mitarbeiter des Inlandgeheimdienstes FSB und ein russischer Soldat getötet worden sein. Die Vorgänge ereigneten sich angeblich am Wochenende im Norden der Krim bei Armjansk. Putin unterstellte Kiew, an keiner Verhandlungslösung interessiert zu sein, sondern zum Terror überzugehen. Weitere Gespräche im sogenannten Normandie-Format (mit Deutschland und Frankreich) seien daher unsinnig, sagte der Kremlchef, der sich am Donnerstag mit seinem Sicherheitsrat traf, um «Massnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit» auf der Halbinsel zu erörtern.

Militärische Bewegungen

Der ukrainische Präsident Poroschenko versetzte darauf Teile der Armee am Donnerstag in erhöhte Kampfbereitschaft. Gleichzeitig kündigte er an, mit der EU, der Uno und Moskau das Gespräch zu suchen. Die russischen Vorwürfe wies er vollumfänglich zurück. Die «absurde Provokation» solle lediglich Kiew diskreditieren und einen Vorwand für eine weitere Aggression gegen sein Land liefern. Die Ukraine schlug kürzlich vor, am Rande des G-20-Gipfels vom 4. und 5. September in China neue Gespräche im Normandie-Format einzuberufen. Noch am Montag äusserte sich Moskau positiv dazu. Der Minsker Friedensplan von 2015 ist faktisch gescheitert. Von seinen 13 Punkten wurde bis jetzt keine der entscheidenden Vorgaben umgesetzt.

Was sich genau am Wochenende zwischen der Krim und dem ukrainischen Festland zugetragen hat, ist in Ermangelung genügend unabhängiger Informationen schwierig zu rekonstruieren. Übereinstimmende Augenzeugenberichte scheinen zumindest Gefechte zu belegen. Ob die vom FSB bekanntgegebenen Festnahmen, offenbar von ukrainischen wie russischen Staatsbürgern, und die von hiesigen Medien gezeigten angeblich sichergestellten Waffen und Sprengsätze damit in Zusammenhang stehen, ist nicht zu verifizieren. Klar ist, dass sich die Gefechte zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Einheiten im Donbass jüngst wieder intensiviert haben. Die Zivilbevölkerung musste im Juni und Juli so hohe Opferzahlen wie seit rund einem Jahr nicht mehr hinnehmen.

Auf der Krim wurden zudem jüngst verstärkte russische Truppenbewegungen beobachtet. Nüchterne Beobachter werten diese als normale Rotationen oder sehen sie in Verbindung mit dem für September angekündigten Manöver «Kawkas 2016», das in Südrussland und auf der Krim stattfinden wird. Abwegig erscheint, dass die Bewegungen der Auftakt zu einer russischen Offensive bilden, um etwa eine Verbindung der Krim zu den Separatistengebieten herzustellen. Für ein solches Szenario verfügt Russland in der Region einerseits über zu wenig Truppen, andererseits wäre der politische Schaden für Moskau deutlich gravierender als jetzt schon.

Finten und Propaganda

Zweifelhaft ist aber auch, ob hinter den mutmasslichen Saboteuren der ukrainische Militärgeheimdienst steht, wie Russland behauptet. Solche Aktionen dürften weder auf Zustimmung der Bevölkerung der Krim stossen noch zur Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes führen. Nicht auszuschliessen ist, dass paramilitärische Akteure mit mehr oder weniger klaren Verbindungen zu offiziellen Strukturen Operationen auf eigene Faust planten. Es wäre nicht das erste Mal, dass in der Ukraine das staatliche Gewaltmonopol etwa durch Freiwilligenbataillone unterlaufen wird, denkt man an die Verkehrs- und Stromblockade der Krim zurück. Bekannt ist aber auch, dass Moskau nicht davor zurückschreckt, von der völkerrechtswidrigen Annexion und der Aggression im Donbass mit allen Mitteln abzulenken. Russland versucht bei jeder Gelegenheit, die ukrainische Führung mit übelster Propaganda zu überziehen und sich in der verfahrenen Situation selbst als Opfer darzustellen.

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