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Jakob Augstein

S.P.O.N. - Im Zweifel links Der letzte Präsident des Westens

Barack Obama war die Hoffnung der Deutschen auf ein besseres Amerika. Doch die Welt wurde kein besserer Ort. Er hat uns enttäuscht.
US-Präsident Obama beim Abschied aus Deutschland

US-Präsident Obama beim Abschied aus Deutschland

Foto: Holger Hollemann/ dpa

Barack Obama war in Deutschland. Abschiedstournee eines Mannes, der einmal der Messias war. So hatten die Deutschen ihn damals begrüßt, an jenem Tag im Juli 2008 an der Berliner Siegessäule. 200.000 Menschen waren gekommen. Nie zuvor und nie danach hat Obama vor mehr Menschen gesprochen. Sie haben ihn geliebt, auf ihn gehofft. Aber der Messias ist am glaubwürdigsten, solange man auf ihn wartet. Sobald er sich zeigt, beginnt die Entzauberung. Und die Entzauberung des Barack Obama war gewaltig. Dieser Präsident war eine Enttäuschung.

Obama ist der Mann der weihevollen Worte, denen keine Taten folgten.

Daran hat sich nichts geändert. In der "Bild"-Zeitung lobte er jetzt die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundeskanzlerin über den grünen Klee. Die Kanzlerin lasse sich von Interessen und Werten gleichermaßen leiten: "Das konnte die Welt an ihrer mutigen Haltung sehen, als die vielen Migranten nach Europa kamen ... Wir können nicht einfach unseren Mitmenschen die Tore verschließen, wenn sie in so großer Not sind. Das wäre ein Verrat an unseren Werten."

Die USA haben bislang etwa 2500 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. In diesem Jahr, sagte Obama, sollen es 10.000 sein. Diese Zahl verkündet er in einem Land, das im vergangenen Jahr eine Million Menschen aufgenommen hat und dafür seine politische Stabilität riskiert. Insgesamt haben die USA im vergangenen Jahr 70.000 Flüchtlinge aus aller Welt aufgenommen.

Werte, Werte, Werte? Hamlet würde sagen: "Worte. Worte. Worte." Wenn Moral ein Kapital ist, über das Staaten verfügen, dann sind die USA bankrott.

Es war nicht Obama, der das Land in die Pleite getrieben hat. Das hat sein unseliger Vorgänger George Dabbelju besorgt. Aber um sich einer zeitgemäßen Sprache zu bedienen: Obama war nicht als Konkursverwalter angetreten. Sondern als Sanierer. Ja, Obama hat auch Siege errungen: Das Nuklear-Abkommen mit Iran, der Rückzug aus dem Irak und Afghanistan, die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba. Das muss die Welt ihm danken. Aber schwer wiegen seine Niederlagen: Guantanamo ist nicht geschlossen. Der Drohnenkrieg tötet Unschuldige. Amerika unterwirft die Welt der totalen Überwachung. Whistleblower werden gnadenlos verfolgt. Obama hat die Welt nicht zu einem besseren Ort gemacht.

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Obama in Hannover: Bussi für die Kanzlerin

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ AFP

Amerika ist sich selbst entfremdet

Das Wort Westen hatte mal eine Bedeutung. Es beschrieb die Ziele und Werte einer besseren Welt. Es meinte die Würde der Demokratie und der Gerechtigkeit im Gegensatz zur Willkür der Tyrannei. Was Amerika aus dem Westen gemacht hat, zeigte sich im Sommer 2013, als mehrere europäische Länder dem Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales Landung und Überflug verboten, weil sie den digitalen Dissidenten Edward Snowden an Bord vermuteten. Diese Länder fürchteten den Zorn der Hegemonialmacht USA.

Obama war angetreten, eine gespaltene Nation zu einen. Auch das ist missglückt. Markus-Evangelium 3,25: "Und wenn ein Haus mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen." Das ist ein geläufiges Credo in den USA, spätestens seit Abraham Lincoln es in seiner berühmten Rede 1858 gebrauchte. Lincoln, der Überwinder der Sklaverei. Auf seine Bibel legte Barack Obama, der erste schwarze Präsident der USA, seinen Amtseid ab. Aber Obama war kein Lincoln.

Selbst die Krankenversicherung, die sein großes nationales Reformwerk werden sollte, ist ihm nur halb gelungen, hat aber dafür zum nationalen Zwist noch beigetragen. Die Gesellschaft bleibt sozial und politisch zerrissen. Die soziale Ungleichheit hat groteske Züge angenommen. Das politische System ist in der Hand des Kapitals und seiner Lobbyisten. Die politische Landschaft wird von ideologischer Verblendung zerrüttet und von Hass beherrscht. Eine perverse Mischung aus Verantwortungslosigkeit, Profitgier und religiösem Eiferertum beherrscht die öffentliche Meinung. Der neue Messias heißt jetzt Donald Trump.

Aus europäischer Sicht mutet all das fremdartig an: Eine andere politische Kultur. Nicht unsere. Wir beobachten Amerika mehr und mehr mit einem Blick, der jenem ähnelt, den wir auf Russland werfen, auf China, auf Indien. Mit dem Gefühl: Wir sind anders. Barack Obama war der letzte Präsident des Westens. Die ihm folgen werden nur noch die Staatschefs der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Und Amerika ist ein fremdes Land geworden.

Tom Hanks hat im Gespräch mit dem SPIEGEL gerade gesagt: "Ein schwarzer Mann im Weißen Haus. Das war groß." Ja. Das war aber auch alles.

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Foto: SPIEGEL ONLINE