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Schuldenschnitt für Griechenland Obama drängt Merkel zum Nachgeben

Offiziell halten sich die USA aus dem Griechenland-Drama heraus. Doch hinter den Kulissen verlangen sie einen Schuldenschnitt - und bemühen historische Vergleiche. Ein deutliches Signal an Kanzlerin Merkel.
Merkel und Obama (Aufnahme vom November 2014): Diskussion über den Schuldenschnitt

Merkel und Obama (Aufnahme vom November 2014): Diskussion über den Schuldenschnitt

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Das Foto zeigt fünf Herren am Tisch, sie lächeln verspannt. Der zweite von rechts, der mit dem strengen Seitenscheitel, hat ein Glas Wasser vor sich und einen Stapel Papiere, die er mit einem Füllfederhalter unterzeichnet. Von hinten reicht ihm jemand weitere Seiten zu.

London, 27. Februar 1953: Der Herr mit dem Seitenscheitel war Hermann Josef Abs, der spätere legendäre Chef der Deutschen Bank. Als Leiter der deutschen Delegation unterzeichnete er das sogenannte Londoner Schuldenabkommen, mit dem die Gläubigerländer der jungen Bundesrepublik mehr als die Hälfte ihrer Weltkriegsschulden erließen. Es war ein Grundstein für das Wirtschaftswunder der Fünzigerjahre.

Das AP-Foto kursiert gerade wieder durchs Netz. Diese Woche landete es sogar auf der Homepage der "New York Times", die damit die "deutsche Scheinheiligkeit" anprangerte - aus aktuellem Anlass: "Der Hauptgläubiger, der fordert, dass Griechenland für seine vergangene Verschwendung zahlt, profitierte vor nicht allzu langer Zeit von milderen Konditionen, als er sie jetzt selbst anzubieten bereit ist", heißt es in dem Text mit der Schlagzeile "Deutschland vergisst die Nachkriegslehren".

Lon, 27. Februar 1953: Das Schuldenabkommen mit Deutschland wird unterzeichnet. Hermann Josef Abs unterzeichnet es.

Lon, 27. Februar 1953: Das Schuldenabkommen mit Deutschland wird unterzeichnet. Hermann Josef Abs unterzeichnet es.

Foto: AP/ ASSOCIATED PRESS

Die Parallele zum Griechenland-Debakel zieht nicht nur die "New York Times". Zwar haben sich die USA bisher, nach außen zumindest, aus dem Euro-Drama herausgehalten. Doch hinter den Kulissen übt das Weiße Haus schon lange stillen Druck aus, indem es für eine Umschuldung oder gar einen Schuldenschnitt für Griechenland trommelt - aus Sorge, dass ein Grexit selbst fürs ferne Amerika Konsequenzen haben könnte.

Auf den ersten Blick hätten die USA nicht viel zu befürchten: Ende 2014 schuldete Griechenland den US-Banken gerade einmal 12,7 Milliarden Dollar. Als größter Shareholder des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist Washington außerdem an Athens IWF-Schulden beteiligt.

Ein Kollaps Europas wäre jedoch eine andere Sache. Ein "Überschwappen" der Krise könnte das US-Wachstum drücken, warnte Goldman Sachs seine Klienten jetzt. Zumal die USA ein ähnliches Problem direkt vor ihrer Haustür haben - Puerto Rico: Das US-Territorium in der Karibik steht vor einem kaum bezahlbaren Schuldenberg von 72 Milliarden Dollar.

Sparen oder spendieren?

Griechenland repräsentiert eine viel größere, globale Diskussion, die auch in den USA immer wieder hochkocht: die "Austerity"-Debatte über Sparen und Spendieren. "Griechenland", schreibt Howard Fineman, der Redaktionsdirektor der News-Website "Huffington Post", "ist nur der Anfang der großen Gegenreaktion auf die Austerität."

Die USA führen diese Diskussion seit Beginn der Kreditkrise. Sie drängten Europa schon 2010 zu einem Rettungspaket für Griechenland. Das geht aus Tonbandaufnahmen des damaligen US-Finanzministers Tim Geithner hervor, deren Transkripte an die "Financial Times" lanciert wurden. Demnach habe sich aber Deutschland gegen einen "Bail-out" gesperrt - und stattdessen auf harte Sparauflagen gepocht.

Washington zog sich danach zurück. Präsident Barack Obama ließ sich seinen Unmut nur einmal anmerken - als er Anfang des Jahres sagte: "Man kann Länder, die mitten in einer Wirtschaftskrise stecken, nicht ausquetschen. Das politische System, die Gesellschaft kann das am Ende nicht tragen."

In jüngster Zeit telefonierte Obama wieder häufiger mit den wichtigsten Politikern der europäischen Schuldenkrise. Zuletzt sprach er am Dienstag mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras und mit Kanzlerin Angela Merkel: Es müsse Griechenland erlaubt werden, "Reformen wiederaufzunehmen, zum Wachstum zurückzukehren und ein tragfähiges Schuldenniveau in der Eurozone zu erreichen", sagte er der deutschen Regierungschefin. Sollte wohl heißen: Zeit für Merkel, ihre starre Haltung aufzugeben.

Gleichzeitig sorgten die USA dafür, dass der IWF vorige Woche ein kontroverses Papier über Griechenlands Schuldenlage publizierte, gegen den Widerstand der Europäer. Darin plädierte auch der Fonds für einen Schuldenschnitt - eine Forderung, die IWF-Chefin Christine Lagarde am Mittwoch in einer Rede in Washington erneut bekräftigte.

Die Idee einer neuen Schuldenkonferenz bekommt immer mehr Befürworter. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi forderte sie, ebenso fünf prominente Ökonomen, darunter Thomas Piketty und Jeffrey Sachs: "Die Geschichte wird sich an Sie erinnern für Ihre Handlungen diese Woche", schrieben sie in einem offenen Brief an Merkel. "Die Austerität ist gescheitert."

Ein Blick zurück in die Geschichte offenbart auch noch ein anderes pikantes Detail: Beim Londoner Schuldenabkommen von 1953 gaben insgesamt 21 Gläubiger Deutschland frei.

Einer davon war Griechenland.

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Zusammenfassung: Die USA mischen sich verstärkt in die Griechenlandkrise ein. Washington befürchtet Folgen für die eigene Wirtschaft und drängt deshalb auf einen Schuldenschnitt. Kanzlerin Merkel müsste dafür nachgeben.