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Mit 57 Jahren CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff ist tot

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff, ist tot. Er war einer der wichtigsten Kritiker der aktuellen russischen Politik von Wladimir Putin.
Ukraines Präsident Poroschenko, CDU-Außenpolitiker Schockenhoff: Eine kritische Stimme im Bundestag wird fehlen

Ukraines Präsident Poroschenko, CDU-Außenpolitiker Schockenhoff: Eine kritische Stimme im Bundestag wird fehlen

Foto: THOMAS PETER/ REUTERS

Berlin - Es ist eine Nachricht, die viele in- und außerhalb seiner Fraktion schockiert: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Schockenhoff ist völlig überaschend am Samstagabend in seinem Wahlkreis Ravensburg gestorben. Der Außenpolitiker und langjährige Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt wurde nur 57 Jahre alt. Schockenhoff starb eines natürlichen Todes, wie SPIEGEL ONLINE erfuhr.

Mit dem Tode Schockenhoffs wird künftig eine wichtige außenpolitische Stimme im Bundestag fehlen. Wie kaum ein anderer Unions-Politiker hatte er sich - oft auch zum Verdruss mancher CDU-Kollegen - sehr kritisch mit der Politik des derzeitigen russischen Präsidenten Wladimir Putin auseinandergesetzt. Seine Enttäuschung über die Politik Putins wuchs mit den Jahren noch, seine Kritik wurde schärfer. Das brachte ihm vor allem Unmut in Moskauer Regierungsstellen ein - zugleich aber Respekt bei russischen und osteuropäischen Oppositionellen, mit denen er engen Kontakt hielt. Sein Credo wiederholte er in Varianten immer wieder: "Wir haben ein Interesse an einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit einem starken, rechtsstaatlichen, demokratischen Russland."

Im andauernden Ukraine-Konflikt war er klar für eine Sanktionspolitik. Putin werde erst aufgeben, wenn der Preis zu hoch werde. Moskau habe die europäische Rechts- und Friedensordnung gebrochen, es sei an Putin, Schritte zur Normalisierung zu unternehmen, so der Christdemonkrat.

Noch bis zuletzt kämpfte er darum, dass in dem deutsch-russischen Petersburger Dialog verstärkt auch Nicht-Regierungsorganisationen einen Platz und eine Stimme erhalten. Zusammen mit der Grünen-Politikerin Marieluise Beck und dem Leiter der Grünen-nahen Böll-Stiftung und dem Vize-Generalsekretär der CDU-nahen Adenauer-Stiftung hatte er jüngst ein Reformpapier formuliert, das für Wirbel in der Koalition, aber auch in Russland selbst gesorgt hatte. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schaltete sich in die Debatte um die Zukunft des Petersburger Dialogs ein, zeigte sich zwar offen für eine Reform, warnte aber auch mit Blick auf die russischen Befindlichkeiten davor, das Gesprächsforum nicht zum Berliner Monolog werden zu lassen. Es war eine Mahnung, die auch indirekt an die Adresse Schockenhoffs und Becks gerichtet war.

Schockenhoff kam 1990 ins Parlament

Schockenhoff gehörte zu jenen Abgeordneten, die kurz nach der deutschen Wiedervereinigung in den Bundestag zogen. Von 1998 bis 2005 war er stellvertretender außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ab 2006 bis Anfang 2014 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, zuletzt Fraktionsvize. Immer wieder setzte er sich auch für die deutsch-französische Zusammenarbeit ein. Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), schrieb auf Twitter: "Wir verlieren einen klugen Außenpolitiker und deutsch-französischen Brückenbauer." Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich schrieb: "Ich habe mit Andreas Schockenhoff vertrauensvoll zusammengearbeitet und seinen Rat und seine Erfahrungen geschätzt. Wir sind uns immer mit großem Respekt begegnet. Seine kluge Analyse wird mir fehlen."

Außenminister Steinmeier schrieb: "Ich habe Andreas Schockenhoff als hoch engagierten Außenpolitiker kennen- und schätzen gelernt. Mit ihm verlieren wir einen Politiker, der es sich niemals hat nehmen lassen, seine Meinung offen und klar zu äußern und der mit viel Herzblut und Überzeugung für seine Themen, insbesondere für Osteuropa und Russland, gekämpft hat." Auch sein unermüdliches Engagement für die deutsch-französische Freundschaft bleibe unvergessen.

Offenheit

Bekannt wurde Schockenhoff einer breiteren Öffentlichkeit durch sein Bekenntnis im Jahr 2011, Alkoholiker zu sein. Im Sommer desselben Jahres stieß er nach dem Besuch eines Musikfestes angetrunken gegen ein parkendes Auto, er beging Fahrerflucht. Danach unterzog er sich einer Therapie, kehrte nach vier Wochen wieder in die Politik zurück und sprach offen auch mit Medien über sein Problem. Er hatte gelitten unter dem Krebstod seiner ersten Frau, der Überforderung zwischen den ständigen Reisen als Politiker und der Erziehung seiner drei Kinder. "Im Grunde war ich ein einsamer Mensch", erzählte er damals. Die Krankheit werde man nie mehr los, das habe er in der Entzugsklinik gelernt, sagte er in einem Interview. "Ich muss jeden Tag neu die Entscheidung treffen, keinen Alkohol zu trinken", so Schockenhoff.

In der Unions-Fraktion wurde die Nachricht vom Tode Schockenhoffs mit großer Bestürzung aufgenommen. Fraktionschef Volker Kauder erklärte: "Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verliert mit ihm einen ihrer profiliertesten Politiker, ganz viele von uns auch einen guten Freund und engen Weggefährten." Schockenhoff sei ein leidenschaftlicher Außenpolitiker gewesen, "der die Politik der Fraktion auf diesem Gebiet maßgeblich geprägt hat". Mit Blick auf die Politik Russlands sagte Kauder: "Gerade in diesem Jahr war seine Stimme hier von großer Bedeutung."