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Geldanlage Staatspleite

Die Märkte haben die Ukraine abgeschrieben

Die Finanzmärkte erwarten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Staatspleite in der Ukraine Die Finanzmärkte erwarten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Staatspleite in der Ukraine
Die Finanzmärkte erwarten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Staatspleite in der Ukraine
Quelle: Infografik Die Welt
Kaum ein Investor will noch Staatsanleihen aus der Ukraine kaufen, die Gefahr der Pleite steigt. Die Währung rutscht ins Bodenlose. Ohne Hilfe aus dem Westen ist die Ukraine am Ende.

Es soll ein Feiertag für die Freiheit werden: Am 21. November will die Ukraine den ersten Jahrestag der Maidan-Demonstrationen begehen. Vor einem Jahr gingen viele Ukrainer auf dem Kiewer Maidan für mehr Freiheit auf die Straße. Bekommen haben sie vor allem mehr Chaos.

Mittlerweile steht die Ukraine kurz vor der Staatspleite. Sollte nicht bald der Westen frisches Geld nachschießen, kann das Land wohl seine Schulden nicht mehr bedienen. Allein bis zum Ende dieses Jahres braucht die Regierung in Kiew noch 550 Millionen Dollar, um fällige Anleihen abzulösen.

Die Märkte haben das Land bereits abgeschrieben. Die Verzinsung der einjährigen Staatsanleihen ist auf 27,5 Prozent in die Höhe geschossen. Das ist der höchste Wert in der jüngeren Geschichte der Ukraine. Zu Jahresbeginn lag die Rendite noch bei rund zehn Prozent.

Die Rendite der Staatsanleihe ist so hoch, weil ihr Ausfall immer wahrscheinlicher wird
Die Rendite der Staatsanleihe ist so hoch, weil ihr Ausfall immer wahrscheinlicher wird
Quelle: Infografik Die Welt

Ablesen lässt sich die malade Situation auch an den Kreditmärkten. Dort sind die Kosten für die Absicherung gegen einen Staatsbankrott auf einen Rekordwert gestiegen. Die Akteure preisen eine Pleitewahrscheinlichkeit von rund 64 Prozent ein. Zu Jahresbeginn lag der Wert unter 40 Prozent und selbst auf dem Höhepunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Russland lag der Wert nie über 60 Prozent.

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„Das Land steht am Rande einer Solvenzkrise“, meint Andrew Matheny, Analyst bei Goldman Sachs. Schon bald könnte die Ukraine zu einer Umschuldung gezwungen sein. „Die Verluste für Investoren würden zwischen 35 und 50 Prozent liegen“, so Matheny.

Der Goldman-Stratege spricht laut aus, was die Märkte von dem Land halten. Mit 64 Prozent Pleitewahrscheinlichkeit ist die Ukraine nach Argentinien und Venezuela das am drittstärksten gefährdete Land der Welt. Für Deutschland taxieren die Händler das Risiko eines Zahlungsausfalls auf 1,7 Prozent, für Russland liegt der Wert schon bei 17 Prozent.

Ukraine mit rund 65 Milliarden Dollar verschuldet

Die Gesamtverschuldung des Landes beträgt inklusive Zinsen mittlerweile umgerechnet 65 Milliarden Dollar, gut die Hälfte der Verbindlichkeiten hat das Land in harten Devisen aufgenommen. Diese Schulden kann die Notenbank nicht durch bloßes Gelddrucken abtragen. Die Devisenreserven sind bereits unter 15 Milliarden Dollar gefallen, also auch von dieser Seite ist der Spielraum begrenzt.

Die Schuldenquote ist von 30 Prozent im Jahr 2013 auf inzwischen über 50 Prozent angestiegen. Das ist im internationalen Vergleich zwar noch immer moderat, für die Euro-Zone sind nach dem Vertrag von Maastricht 60 Prozent zulässig. Nur kann ein Schuldner auch bei niedriger Quote pleite gehen, wenn die Gläubiger kein frisches Geld mehr nachschießen.

Außerdem verschlechtert sich die finanzielle Lage rapide. Nach Berechnungen von Goldman Sachs könnte die Verbindlichkeiten schon bald 70 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes betragen. Denn das Bruttoinlandsprodukt schrumpft und so verschlechtert sich der Wert. Für dieses Jahr rechnet die US-Investmentbank mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um acht Prozent.

Seit Jahresbeginn 2014 hat sich der Wert der ukrainischen Währung im Vergleich zum Dollar fast halbiert
Seit Jahresbeginn 2014 hat sich der Wert der ukrainischen Währung im Vergleich zum Dollar fast halbiert
Quelle: Infografik Die Welt
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Die Entwicklung zeigt, wie steinig der Weg nach Europa ist. Und das bekommen auch die Menschen im Land zu spüren. Die ukrainische Währung Hrywnja hat seit Jahresanfang zum Dollar annähernd die Hälfte an Wert verloren, zum Euro beträgt das Minus immerhin rund 42 Prozent.

Damit einher geht eine massive Verteuerung der Lebenshaltungskosten. Die Inflationsrate ist im Oktober auf fast 20 Prozent hochgeschnellt, noch im Januar lag die Teuerung bei moderaten 0,5 Prozent.

Die Ukraine ist damit in einen Teufelskreis aus fallender Währung und hoch schnellender Inflation geraten. Schaut man in die Wirtschaftsgeschichte, sind nur wenige Länder aus eigener Kraft aus einem solchen Circulus vitiosus gekommen.

Notenbank erhöht den Leitzins auf 14 Prozent

In einer Art Verzweiflungsakt hat die Notenbank die Zinsen in einer Notsitzung am Mittwochabend auf 14 Prozent in die Höhe geschraubt, es war bereits die dritte Anhebung in diesem Jahr. Immer mehr zeichnet sich ab, dass die Ukraine ihre Probleme längst nicht mehr allein in den Griff bekommt.

Die Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Nachbarland nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich unter Druck zu setzen, scheint damit aufzugehen. „Entscheidend ist, was Putin noch plant“, sagt Regis Chatellier, Kreditstratege von der Société Générale. „Wenn sich der Konflikt verschärft, wird die Verzinsung der Ukraine-Anleihen noch weiter nach oben schießen.“

Mit seinen permanenten Provokationen hat Putin es geschafft, das Vertrauen in die Ökonomie auch bei ausländischen Investoren zu untergraben. Und auch die stete Gefahr einer Spaltung des Landes hängt als Investitionshemmnis über der Ukraine. Die Regionen Lugansk und Donezk stehen für 16 Prozent der ukrainischen Wirtschaftsleistung und 23 Prozent der Industrieproduktion des Landes.

Die Nöte der Ukraine treffen nicht nur den Westen, der mit aller Wahrscheinlichkeit schon bald Geld nachschießen muss. Auch einzelne Investoren haben sich kräftig verspekuliert.

Ukraine belastet Templeton-Fonds

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So griff unter anderem der legendäre Templeton-Fondsmanager Michael Hasenstab in der Ukraine beherzt zu: Nach Daten des Anbieters Bloomberg hatte er zuletzt Ukraine-Anleihen im Volumen von 360 Millionen Dollar in seinem Emerging Market Bond Fonds. Das entspricht rund sechs Prozent des insgesamt 6,5 Milliarden Dollar schweren Schwellenländerfonds.

Seit Jahresanfang hat der Fonds läppische 0,8 Prozent gewonnen, während die Konkurrenz im Durchschnitt 5,4 Prozent erwirtschaftet hat. Seit dem Niedergang der Ukraine mussten Anleger des Templeton-Fonds sogar Verluste verbuchen.

Auch am ukrainischen Aktienmarkt spitzt sich die Lage dramatisch zu: In heimischer Währung betrug der Verlust seit Anfang November 14 Prozent, in Dollar umgerechnet sogar 28 Prozent.

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