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Internationale Medien: Der Krieg der Bilder

Im globalen Informationsraum tobt ein Kampf um die Köpfe. Der Erfolg des russischen TV-Netzwerkes RT verändert die Gewichte. Plötzlich ist der Westen in der Defensive.

Medien prägen das Bild von der Welt. Sie transportieren Werte, beeinflussen Stimmungen, zementieren oder zerstören Ideologien. Jeder Diktator will die Medien seines Landes kontrollieren. Eine freie Presse verträgt sich nicht mit Propaganda. Wer das vergisst, kann kaum verstehen, warum der globale Erfolg des russischen TV-Netzwerkes RT (ehemals Russia Today) ein Politikum ersten Ranges ist. RT ist heute – neben den Energieexporten (Gazprom) und dem Waffenhandel – das effizienteste Instrument der russischen Außenpolitik.

Vor acht Jahren wurde RT gegründet. Moskau wollte ein staatliches Gegengewicht schaffen zu CNN und BBC. Das ist gelungen. Inzwischen erreicht RT nach eigenen Angaben 630 Millionen Zuschauer in mehr als hundert Ländern. 24 Stunden am Tag berichten 2000 Mitarbeiter aus aller Welt über Kabel und Satellit auf mehreren Schwesterkanälen in vier Sprachen – Russisch, Englisch, Arabisch (Rusiya Al-Yaum) und Spanisch (RT Actualidad). In Großbritannien ist RT gemeinsam mit Al Jazeera der populärste englischsprachige Auslandssender (zwei Millionen Zuschauer), in den USA der zweitpopulärste nach der BBC. Auf YouTube ist RT die Nummer eins auf der Liste der meistgesehenen Nachrichtenvideos. Vor zwei Jahren bereits warnte US-Außenministerin Hillary Clinton, ihr Land sei dabei, den „globalen Informationskrieg zu verlieren“.

Wie sieht das praktisch aus? Nehmen wir das in Moskau ausgestrahlte Programm vom 7. März. Das war vor einer Woche. Während CNN und BBC sich in erster Linie um Nordkorea und die neuen UN-Sanktionen kümmern, berichtet RT großformatig über die Geiselnahme von UN-Blauhelmen durch syrische Rebellen. Diese Rebellen, so der Tenor bei RT, würden vom Westen finanziert, um das populäre autokratische Regime von Assad zu destabilisieren.

Wie überhaupt Assad eher Opfer als Täter bei RT ist und der Aufstand gegen ihn gelegentlich sogar als „Gemeinschaftsprodukt von CIA, MI6 und Mossad“ bezeichnet wird. Anschließend werden Bilder aus Pakistan gezeigt, wo wütende Menschen gegen den Einsatz amerikanischer Drohnen protestieren. Dann folgt ein Bericht darüber, wie israelische Soldaten palästinensische Kinder misshandeln.

Diese Zusammenstellung deckt sich mit der offiziellen russischen Wahrnehmung der Welt: Der Westen ist korrupt und doppelzüngig, die Dominanz seiner Werte vorbei, er darf niemanden belehren. Ein stark antiamerikanischer und antiisraelischer Impuls vermischt sich bei RT mit einem kulturellen Konservatismus, der bis zu offener Homophobie reicht. Bradley Manning, der US-Soldat, der Wikileaks fütterte, gilt als Held – und als politischer Gefangener. Am 1. März um 15 Uhr 38 twitterte die 31-jährige RT-Chefin Margarita Simonyan: „Wenn die amerikanischen Massenmedien über Manning nur zehn Prozent von der Menge berichten würden, mit der sie über Pussy Riot berichtet haben, würde ich an die Demokratie glauben.“ Dazu muss man wissen, dass Wikileaks-Chef Julian Assange bei RT eine eigene Interview-Sendung hatte („World Tomorrow“), sein erster Gast war der Anführer der Hisbollah, Hassan Nasrallah.

Im Jahr 2010 startete RT eine große Werbekampagne, professionell entworfen von McCann Erickson. Ein Clip zeigt US-Präsident Barack Obama, wie er zu Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad mutiert, dazu wird die Suggestivfrage eingeblendet: „Von wem geht die größte Atomgefahr aus?“ In einem anderen sieht man einen Nato-Soldaten, der sich in einen Taliban-Kämpfer verwandelt, und dazu die Frage: „Kommt der Terror nur von Terroristen?“

Al Jazeera brach als erster Satellitensender mit der angelsächsischen Deutungshoheit über den Nahen Osten. Seitdem werden fast täglich Araber von Marokko bis Syrien über das Elend der Palästinenser informiert. RT geht darüber hinaus. Der Westen insgesamt wird dämonisiert und delegitimiert.

Im globalen Informationsraum ist ein Kampf um die Köpfe der Menschen entbrannt. Der Erfolg von RT könnte auch Nachahmer finden. Wenn China Central Television erst einmal ähnlich üppig finanziert, multilingual und global loslegt, können die westlichen Demokratien endgültig einpacken.

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