Günter Grass hat sich bis kurz vor seinem Tod große Sorgen um die Zukunft der Menschheit gemacht. Am 21. März, knapp drei Wochen vor seinem Tod, gab der Literatur-Nobelpreisträger in Lübeck der spanischen Zeitung „El País“ noch ein Interview.
„Wir steuern auf den dritten großen Krieg zu“, sagte Grass in dem Interview, das am Dienstag erstmals veröffentlicht wurde. „Es gibt überall Krieg. Wir laufen Gefahr, dieselben Fehler wie früher zu machen. Ohne es zu merken, als wären wir Schlafwandler, können wir in einen neuen Weltkrieg gehen“, warnte er.
Grass analysierte in dem Gespräch die aktuelle Situation kritisch: „Heute haben wir auf der einen Seite die Ukraine, deren Situation einfach nicht besser wird. In Israel und Palästina wird es immer schlimmer. Im Irak haben uns die Amerikaner ein Desaster hinterlassen. Es gibt die Gräueltaten des Islamischen Staates und das Problem in Syrien, das fast aus den Nachrichten verschwunden ist, obwohl sich die Menschen dort weiter gegenseitig umbringen.“
Verständnis für Putin
Die Europäer rief Grass dazu auf, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verstehen und sich nicht so sehr von den Interessen der USA leiten zu lassen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion seien „keine ernsthaften Versuche“ unternommen worden, unter Einbeziehung Russlands eine neue Sicherheitsallianz zu gründen. Das sei ein Riesenfehler gewesen. „Der Ukraine wird ein Beitritt in die EU und danach in die Nato versprochen, da ist es nur logisch, dass ein Land wie Russland nervös reagiert.“
Neben den vielen politischen Konflikten beklagte Grass im Gespräch auch „das soziale Elend überall auf der Welt“ sowie die Probleme der Überbevölkerung, des Klimawandels und des Atommülls, „deren Folgen gar nicht beachtet werden“. „Es gibt ein Treffen nach dem anderen, aber die Problematik bleibt bestehen: Es wird nichts getan“, meinte er. Der Kapitalismus zerstöre sich unterdessen selbst. „All diese irrationalen Mengen Geld, die weltweit fließen, haben wir mit der Realwirtschaft nichts mehr zu tun.“
Im 20. Jahrhundert sei „die Unvernunft weniger ausgeprägt“ gewesen. Seine „Blechtrommel“-Figur Oskar Matzerath wäre nach Überzeugung von Grass dieser Tage „ein anderer Mensch“, der gegen „andere Widerstände“ würde kämpfen müssen. „Heute wäre er ein Computer-Freak, ein Hacker oder so etwas Ähnliches.“
Der Autor des Romans „Die Blechtrommel“ war am Montagmorgen im Alter von 87 Jahren in einem Lübecker Krankenhaus gestorben.