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Ausland Macht-Jubiläum

Wie Putin Russland an den Abgrund führt

Er ist gekommen, um zu bleiben: Wladimir Putin ist seit 15 Jahren an der Macht Er ist gekommen, um zu bleiben: Wladimir Putin ist seit 15 Jahren an der Macht
Er ist gekommen, um zu bleiben: Wladimir Putin ist seit 15 Jahren an der Macht
Quelle: picture-alliance/ dpa
Vor 15 Jahren hat Wladimir Putin die Macht in Russland übernommen und sie seither stetig ausgebaut. Das Resultat? Manipulierte Medien, Repression, eine sieche Wirtschaft. Besserung? Nicht in Sicht.

Vor 15 Jahren, am 31. Dezember 1999, führte Boris Jelzin mit einer breiten einladenden Geste Wladimir Putin vor Fernsehkameras in das geräumige Zimmer im Kreml ein. „Ihr Büro, Wladimir Wladimirowitsch“, sagte Jelzin. Er übergab Putin den Atomkoffer. Der russische Patriarch Alexej II. segnete den neuen russischen Interimspräsidenten. So begann das neue Jahrtausend und die Putin-Zeit für Russland. Der Rücktritt des ersten russischen Präsidenten Boris Jelzin am Silvestertag war eine Überraschung für alle, die nicht zu seinem engsten Kreis gehörten. Bereits im August 1999 hatte er Putin – damals Leiter des Geheimdienstes FSB und des nationalen Sicherheitsrates – zu seinem „Nachfolger“ erklärt und ihm den Posten als Premier angetragen.

Putins Popularität war damals sprunghaft angestiegen, maßgeblich verantwortlich dafür war der Krieg in Tschetschenien, den er im September 1999 begonnen hatte. Putin präsentierte sich als ein energischer Politiker und harter Kämpfer, er versprach gar, Terroristen „auf dem Klo abzuknallen“. Er nutzte die Beliebtheit, um seine Macht zu festigen – bevor die Wähler die Schattenseiten des Tschetschenienabenteuers realisiert hatten.

Nach Jelzins Rücktritt wurden die Präsidentenwahl, die ursprünglich für Sommer 2000 angesetzt war, um drei Monate vorgezogen. Die Konkurrenten von Putin hatten so kaum Zeit für den Wahlkampf, der damals in Russland noch stattfand. Schließlich wurde Putin im März 2000 mit 53 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Der Westen fragte sich, wer dieser ehemalige Geheimdienstler im Kreml ist – und was er mit dem Land vorhat. Schnell wurde klar, dass Putin gekommen war, um zu bleiben. Doch kaum jemand ahnte damals, wie stark er Russland und die Nachbarstaaten verändern würde.

Die Idee vom starken Staat

Am 30. Dezember 1999 veröffentlichte Putin seinen programmatischen Artikel „Russland an der Jahrtausendwende“. Es war ein Text, der seine Erfahrungen der 90er-Jahre zusammenfasste. „Unser Land gehört heute nicht zu den Staaten, die für die vordere Front der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der modernen Welt stehen“, klagte Putin bitter. Mit seiner Wirtschaftsstruktur passe Russland nicht zur postindustriellen Welt. Wie solle sich Russland weiter entwickeln? Putin gab darauf drei Antworten: „russische Idee“, „starker Staat“ und „effiziente Wirtschaft“.

Die Gesellschaft müsse sich konsolidieren – das verlangte 1999 nicht nur Putin, sondern auch andere russische Politiker. Als Jelzin ihn zum Nachfolger kürte, lobte er Putin als einen Menschen, der „die russische Gesellschaft konsolidieren kann“. Putin zufolge sollten sich die Russen auf die „traditionellen Werte“ konzentrieren: Patriotismus, die zentrale Rolle des starken Staates, soziale Solidarität und die Idee, dass Russland eine Großmacht ist und bleibt.

15 Jahre später haben diese Ziele Russland nicht zur Blüte verholfen, sondern stattdessen an den Abgrund geführt. Propaganda ist inzwischen in militanten Hurrapatriotismus gemündet. Die Großmachtfantasien führten dazu, dass Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, einen Krieg im Osten des Landes lostrat und diesen dort weiter am Köcheln hält.

„Putin ist ein Meister der hybriden Kriegsführung“

Hybride Kriegsführung: Sie kombiniert konventionelle und verdeckte Strategien. Auch Cyber-Angriffe und Desinformation sind Mittel. Putin beherrscht das perfekt, sagt „Welt“-Autor Michael Stürmer.

Quelle: Die Welt

Russlands Wirtschaft verharrt in den alten, verkrusteten Strukturen: Die Ölindustrie ist ineffizient geblieben, der fallende Ölpreis stürzt das Land tiefer in die Krise. Der russische Staat kontrolliert alles, es gibt kaum noch Freiraum für von der Staatslinie abweichende Meinungen oder überhaupt eine intellektuelle Erneuerung.

Seit seinem Amtsantritt setzt Putin alles daran, die Macht in Russland zu zentralisieren. Bereits 2000 verloren die Oligarchen Boris Beresowski und Wladimir Gusinski ihre populären Fernsehsender ORT und NTV und verließen das Land. Ähnliches widerfuhr dem Ölmagnaten Michail Chodorkowski: Er musste 2003 die Führung über sein Erdöl- und Petro-Unternehmen Yukos abgeben und ging wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung für zehn Jahre ins Gefängnis.

2004 wurden in Russland die Gouverneurswahlen unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung abgeschafft. Putin griff als Machtinstrument auf jene Strukturen zurück, die ihn hervorgebracht hatten – die Geheimdienste, die zur neuen Elite Russlands aufgestiegen waren und inzwischen alle Bereiche des wirtschaftlichen und politischen Lebens unter Kontrolle hielten.

„Äußere Faktoren“ seien schuld an Wirtschaftskrise

Es ist die erste Pressekonferenz mit Wladimir Putin, seit dem drastischen Wertverlust der russischen Währung. Die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben „äußere Faktoren“ provoziert, so Putin.

Quelle: Reuters

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Trotz des Stillstands ist die russische Wirtschaft gewachsen. Der Grund? Putins Regierungszeit fiel mit einem starken Anstieg des Ölpreises zusammen. Für ein Barrel musste man im Dezember 1999 noch 25,50 Dollar bezahlen, im Juli 2008 lag der Preis bei 133,90 Dollar. Mit dem Preisanstieg wuchs auch der Wohlstand in Russland. Für viele Russen steht Putin deshalb bis heute für Wachstum und Stabilität.

Mit dem Fallen des Ölpreises könnte sich das nun ändern. Zusätzlich schwächen die westlichen Sanktionen wegen der Krim-Annexion und der russischen Beteiligung in der Ostukraine den Rubel. Die von Putin garantierte Stabilität gibt es nicht mehr – und damit steht der Präsident vor der größten Krise seiner Regierungszeit.

Beliebtheit ungebrochen

Auf seine Popularität haben diese Entwicklung bislang noch wenig Wirkung. Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums liegt sie im Dezember bei 85 Prozent. Hochgeschnellt auf ein Rekordniveau war die Beliebtheit nach der Krim-Annexion, die vielen Russen den Glauben an ein Wiedererstarken des russischen Reiches zurückgab. Deshalb dürfte es kaum verwundern, dass Putin für 57 Prozent aller Russen der „Mann des Jahres“ ist, wie das Lewada-Zentrum gerade mitteilte.

Wie ist diese blinde Treue zu erklären? Im 15. Jahr seiner Macht hat Putin die Manipulation der öffentlichen Meinung perfektioniert. Seit Beginn des Jahres wiederholen russische Medien mantrahaft die Mär von den Faschisten in der Ukraine, die gemeinsam mit dem Westen Russland zerschlagen wollten.

Russland droht die Staatspleite

Einer drastische Zinserhöhung soll kurzfristig Kapital im Land halten. Doch in Russland rutscht der Rubel immer stärker ab. Ursachen für die Talfahrt sind westlichen Sanktionen und der Ölpreis-Verfall.

Quelle: Reuters

Angesichts dieser vermeintlichen Bedrohung von außen erscheint vielen Russen die reale Gefahr der Wirtschaftskrise weniger schlimm. Putin kann sich erfolgreich und unwidersprochen als Retter darstellen, der sein Land gegen die äußeren Feinde verteidigt. Eine ernst zunehmende politische Opposition gibt es nicht mehr, die Russen sehen keine Alternative zu Putin am Horizont.

Wird der russische Präsident also auch diese Krise überstehen? Dabei helfen wird ihm sein repressiver Staatsapparat, der möglicherweise aufziehende Proteste wegen der sich verschlechternden Wirtschaftslage schon früh den Garaus macht. Doch der harte Durchgriff wird nur die Symptome der Unzufriedenheit, nicht aber deren Wurzel beseitigen. Ohne eine Neuausrichtung der Außenpolitik und ohne Reformen taumelt Russland schneller gen Abgrund, je länger Putin an der Macht bleibt.

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