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Ausland EU-Außenbeauftragte

„Wir werden die Migration nicht stoppen können“

So viele abgelehnte Asylbewerber wurden abgeschoben

Ein abgelehnter Asylantrag bedeutet oft nicht, dass der Betroffene das Land verlässt. Die Bundesregierung hat kürzlich bekannt gegeben, wie viele abgelehnte Asylbewerber tatsächlich auch ausgereist sind.

Quelle: Die Welt

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Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini will den Menschenschmuggel im östlichen Mittelmeer bekämpfen. Dazu ist eine Zusammenarbeit mit schwierigen Partnern nötig und eine Unterstützung der Nato.

Die Welt: Frau Mogherini, der türkische Staatspräsident Erdogan hat der EU im Streit über die Befreiung von der Visumpflicht „Scheinheiligkeit“ und die Unterstützung von terroristischen Organisationen wie der kurdischen PKK vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?

Federica Mogherini: Meine Botschaft an die Adresse der Türkei ist: Wir haben viele Gemeinsamkeiten und eine breite politische Agenda miteinander – es geht bei Weitem nicht nur um Flüchtlinge. Und wir haben teilweise auch gemeinsame Probleme: Wir wollen beide den Bürgerkrieg in Syrien beenden, wir wollen beide eine Lösung des Zypern-Konflikts, und wir werden beide durch Terrorismus bedroht. Wir können Partner in mehreren Bereichen sein, und auf der europäischen Seite gibt es den politischen Willen, mit der Türkei konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Die Welt: Aber die schweren Vorwürfe von Erdogan sind doch nicht hilfreich.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht in Russland keinen Partner mehr für die Europäische Union
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht in Russland keinen Partner mehr für die Europäische Union
Quelle: Getty Images

Mogherini: Sie wollen, dass ich das sage (lacht).

Die Welt: Ich frage Sie nach Ihrer Meinung.

Mogherini: Ich habe Ihnen gesagt, was mir wichtig ist.

Die Welt: Was passiert, wenn sich Erdogan nicht mehr an den Flüchtlingsdeal mit der EU hält?

Mogherini: Wir haben unser Abkommen mit der türkischen Regierung geschlossen, nicht mit einer Person. Wenn die türkische Regierung sich aber zu einem Politikwechsel entschließen sollte, dann müssen wir diskutieren. Aber ich erwarte, dass die neue Regierung die vergangenen Abkommen bestätigen wird.

Die Welt: Erwarten Sie im Jahr 2016 noch eine Öffnung der beiden Rechtsstaatskapitel in den Beitrittsverhandlungen?

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Mogherini: Ich hoffe sehr, dass die EU in den Beitrittsgesprächen mit der Türkei noch in diesem Jahr die Kapitel 23 und 24 öffnen wird und dann mit den Verhandlungen über Grundrechte, Justiz und demokratische Freiheiten beginnt. Diese Kapitel sind entscheidend, um bei wichtigen Fragen voranzukommen. Aber bevor wir die Kapitel eröffnen, müssen die notwendigen Kriterien erfüllt sein.

Die Massenflucht ist Afrikas Druckmittel gegen Europa

Frank-Walter Steinmeier ist der erste deutsche Außenminister, der den Niger besucht. Das Land ist Drehkreuz für Migrantenströme nach Europa, die aus Zentral- und Westafrika zum Mittelmeer streben.

Quelle: Die Welt

Die Welt: Wie viele Flüchtlinge und Migranten befinden sich in Libyen?

Mogherini: Nach Zahlen der Internationalen Organisation für Migration sind rund 500.000 Migranten und Flüchtlinge in Libyen. Viele von ihnen befinden sich schon seit langer Zeit auf der Flucht und haben eine Form moderner Sklaverei hinter sich. Sie leben oft unter unmenschlichen Bedingungen in Libyen. Wir arbeiten mit internationalen Organisationen zusammen, um ihre Lage zu verbessern.

Die Welt: Was tut die EU in Afrika noch, um die Flüchtlingsströme einzudämmen?

Mogherini: Wir wollen enger mit den Nachbarstaaten Libyens, wie Niger, kooperieren und zugleich die wirtschaftliche Situation in den Heimatländern der Flüchtlinge verbessern. Wir arbeiten derzeit an einem Investmentplan für Staaten außerhalb der EU, insbesondere für afrikanische Staaten, der nach einem ähnlichen Muster funktionieren soll wie der sogenannte Juncker-Fonds für die EU-Staaten. Konkret: Wir wollen Entwicklungshilfefonds, private Investitionen und Bankgarantien miteinander verbinden. Das könnte die Investitionsbereitschaft in den Ländern deutlich verbessern. Außerdem wird die EU weiterhin konsequent gegen Schleuser vorgehen. Die Mittelmeermission „Sophia“ leistet hier einen wichtigen Beitrag.

Die Welt: Das britische Parlament hat dieser EU-Mission gerade ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt.

Mogherini: Ich sehe das anders. Es wurden bisher 69 Schleuser gefasst und mehr als 100 Boote in sechs Monaten zerstört. Die Präsenz von EU-Schiffen im Mittelmeer hat eine abschreckende Wirkung auf Schmuggler gehabt, und die Mission hat einen wichtigen Beitrag in Bezug auf eine bessere Kenntnis dieser kriminellen Netzwerke geleistet. Diese können nicht mehr ungestraft auf hoher See agieren. Hinzu kommt: Rund 13.000 Menschen in Seenot konnten durch unsere maritimen Einsatzkräfte gerettet werden. Das ist etwas, worauf wir als Europäer stolz sein können.

Afrikanische Migranten werden nach einem gescheiterten Versuch, das Mittelmeer Richtung Europa zu verlassen, von der libyschen Küstenwache festgehalten
Afrikanische Migranten werden nach einem gescheiterten Versuch, das Mittelmeer Richtung Europa zu verlassen, von der libyschen Küstenwache festgehalten
Quelle: REUTERS
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Die Welt: Die EU will das Mandat der Mission erweitern. Was muss passieren?

Mogherini: Wir haben uns am 13. Mai darauf geeinigt, das Mandat der Mission „Sophia“ um ein Jahr zu erweitern. Eine weitere Aufgabe wurde hinzugefügt, für welche wir mit der operativen Planung begonnen haben: die Ausbildung von libyschen Küstenwachen, selbstverständlich abhängig von einer Anfrage der libyschen Behörden. Und dies könnte bereits in den kommenden Wochen beginnen.

Die Welt: Wie kann die Nato die Europäische Union im Mittelmeer unterstützen?

Mogherini: Das hängt von den Entscheidungen der Libyer ab. Die EU und die Nato können sich gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben ergänzen, welche in ihrer Art unterschiedlich sind. Die EU arbeitet mit den libyschen Behörden zusammen an der Möglichkeit, sie beim Aufbau eines funktionierenden Polizei- und Justizapparates und einer Ausbildung der Küstenwache zu unterstützen. Es steht mir nicht zu, die Rolle der Nato zu kommentieren.

Die Welt: Wer entscheidet das?

Mogherini: Libyen. Ohne jeden Zweifel. Sie legen fest, was sie wollen und benötigen, und wir können dann entscheiden, ob wir es machen können.

Die Welt: Im vergangenen Jahr sind 153.000 Menschen aus Libyen in Italien gelandet. Erwarten Sie in diesem Jahr noch höhere Zahlen?

Mogherini: Das lässt sich seriös nicht prognostizieren. Wir sollten aufhören, immer auf die Wochen- oder Monatswerte zu achten. Wir haben weltweit fast 70 Millionen Flüchtlinge. Europa ist ein attraktiver Platz, eine Insel von Frieden, Sicherheit und Wohlstand. Wir Europäer müssen endlich begreifen, dass Massenbewegungen von Menschen ein Phänomen unserer Zeit sind. Wir werden die Migration, auch nach Europa, nicht stoppen können, aber man kann sie bewältigen.

EU will Libyen unterstützen

Die EU will der neuen Einheitsregierung in Libyen beim Wiederaufbau der Küstenwache helfen. Experten warnen, dass dort Hunderttausende darauf warten, mit Booten nach Europa überzusetzen.

Quelle: Die Welt

Die Welt: Wie denn?

Mogherini: Nationale Alleingänge bringen gar nichts, das ist vielmehr eine europäische Aufgabe. Die Europäer brauchen Instrumente für legale Migration, eine gemeinsame Asylpolitik, Rückführungsvereinbarungen und eine Förderung der Wirtschaftsentwicklung in Afrika.

Die Welt: Themenwechsel, Frau Mogherini. Ist Russland noch ein strategischer Partner?

Mogherini: Wir haben Russland lange Zeit als strategischen Partner betrachtet. Das ist heute nicht mehr der Fall, aber es ist immer noch ein strategisches Land.

Die Welt: Was heißt das konkret?

Mogherini: Zusammen mit den 28 Außenministern haben wir uns entschieden, mit Russland in Bereichen, wo wir gemeinsame Interessen haben, zusammenzuarbeiten, wir nennen das „selektives Engagement“. Wir tun das auch schon, beispielsweise in Syrien, beim Nahost-Friedensprozess, im Iran oder in Libyen.

Die Welt: Gibt es einen Weg zurück zur strategischen Partnerschaft?

Mogherini: Das müssen Sie die russische Regierung fragen. Das hängt stark von der Lösung der Ukraine-Krise ab. Für uns ist entscheidend, dass die Minsker Abkommen vollständig umgesetzt und der Konflikt in der Ostukraine friedlich gelöst werden. Das hängt nicht alleine von Russland ab, dazu müssen ebenfalls die Separatisten in der Ostukraine sowie die Regierung in Kiew beitragen.

Die Welt: Wichtige Sanktionen gegen Russland laufen im Juli aus. Werden sie verlängert?

Mogherini: Ich erwarte es. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten eine Aufhebung der Sanktionen an eine vollständige Umsetzung der Minsker Abkommen gekoppelt. Das wurde bisher nicht erreicht. In der zweiten Hälfte dieses Jahres sollten dann jedoch die EU-Regierungen eine grundsätzliche politische Bewertung vornehmen, inwieweit die Minsker Abkommen umgesetzt wurden und wie der weitere Weg zur Lösung des Konflikts in der Ukraine aussieht.

Die Welt: Einige Länder, wie Zypern und Ungarn, tun sich mit einer Verlängerung der Sanktionen schwer oder verlangen zumindest eine Abschwächung.

Mogherini: Es hat immer schon unterschiedliche Auffassungen zu Teilen unserer Sanktionspolitik gegeben. Das wird wohl auch so bleiben. Aber trotz der Differenzen war Einigkeit immer vorhanden. Wichtig ist, dass wir an dieser Einigkeit festhalten und Entscheidungen gemeinsam treffen.

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