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Terroristen suchen Asyl in Deutschland

Der Screenshot von einem Video zeigt den „russischen Bin Laden“ Doku Umarov (l.) und einen Anhänger Der Screenshot von einem Video zeigt den „russischen Bin Laden“ Doku Umarov (l.) und einen Anhänger
Der Screenshot von einem Video zeigt den „russischen Bin Laden“ Doku Umarov (l.) und einen Anhänger
Quelle: AFP
Die Zahl tschetschenischer Asylbewerber in Deutschland steigt stark. Unter ihnen sind führende Köpfe der islamistischen Terrorzelle „Kaukasisches Emirat“. Deutsche Behörden schlagen Alarm.

Anfang Juli tauchte im Internet ein islamistisches Propagandavideo aus Tschetschenien auf, das deutsche Sicherheitsbehörden aufhorchen ließ. Zu sehen: Doku Umarov, der selbst ernannte Emir des Kaukasus und Anführer der Terrorgruppe Kaukasisches Emirat.

Der bullige Tschetschene, oft betitelt als der „russische Bin Laden“, drohte in der Videobotschaft mit Terroranschlägen während der Olympischen Winterspiele im südrussischen Sotschi im Februar kommenden Jahres. „Sie wollen die Olympischen Spiele auf den Knochen unserer Vorfahren austragen, auf den Knochen so vieler Muslime, die auf unserem Boden entlang des Schwarzen Meeres vernichtet und verbrannt wurde“, sagte Umarov. Als Mudschaheddin sei man verpflichtet, dies mit allen Methoden zu verhindern, die Allah erlaubt habe.

Den deutschen Verfassungsschutz versetzte der Aufruf Umarovs gleich aus zwei Gründen in erhöhte Alarmbereitschaft: Schon heute leben nach Erkenntnissen des Inlandsgeheimdienstes in Deutschland rund 200 Anhänger des tschetschenischen Terroristen-Chefs. Unter ihnen sind auch gewaltbereite Extremisten, die unter ständiger Beobachtung stehen.

„Die führenden Köpfe des Kaukasischen Emirats in Deutschland sind beinahe allesamt vor nicht allzu langer Zeit als Asylbewerber ins Land gekommen“, sagte ein Verfassungsschützer der „Welt“. „Sie sammeln hier teilweise Spenden für den Kampf im Kaukasus oder werben Kämpfer an. Insgesamt agieren sie recht abgeschottet.“

Deutsche und russische Behörden alarmiert

Zugleich gehen die Experten davon aus, dass ihre Zahl in Deutschland seit Jahresanfang kräftig gestiegen ist. Denn die Zuwanderung aus dem Kaukasus hat sich dramatisch verstärkt – und damit auch die Zahl der gewaltbereiten Islamisten, an die Umarov seine Botschaft richtete.

Im vergangenen Jahr stellten rund 3200 russische Staatsbürger einen Asylantrag in Deutschland, davon stammen schätzungsweise 70 Prozent aus Tschetschenien. Bis Mitte Juli 2013 stieg die Zahl der Asylbewerber aus der Russischen Föderation schon auf mehr als 10.000. Bis zu 90 Prozent von ihnen sollen Tschetschenen sein.

„Wir müssen beim Zustrom von Asylbewerbern aus Tschetschenien wachsam sein“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der „Welt“. „Unter ihnen können sich auch radikale Islamisten befinden, die nur unter dem Deckmantel des Asylrechts nach Deutschland einreisen. Diese Möglichkeit zu ignorieren wäre völlig naiv.“

Dabei geht es gleichermaßen um die Gefahr von Anschlägen in Russland und Deutschland. In den vergangenen Wochen gab es nach Informationen der „Welt“ mehrfach Gespräche zwischen russischen und deutschen Nachrichtendienstlern über mögliche Terrornetzwerke aus dem Kaukasus, die sich in Deutschland etabliert haben. „Keiner hat Interesse daran, dass ein Terroranschlag in Sotschi auf deutschem Boden geplant wird“, kommentiert ein ranghoher Verfassungsschützer diese Zusammenarbeit.

„Operation in Deutschland“ geplant?

Erst im Mai hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB die deutschen Sicherheitsbehörden vor möglichen Terroranschlägen durch Tschetschenen gewarnt. In abgehörten Telefonaten hatten Islamisten im Kaukasus und in Syrien in kryptischer Sprache über eine „Operation in Deutschland“ gesprochen.

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Eine Person, die möglicherweise in einen solchen Anschlag involviert werden sollte, konnte der Verfassungsschutz schließlich identifizieren: einen 18-jährigen Asylbewerber aus Tschetschenien, der in Berlin-Kreuzberg wohnt. Der Mann wurde beim Besuch von US-Präsident Barack Obama in der Hauptstadt kurzfristig in Gewahrsam genommen.

Begonnen hat die aktuelle kaukasische Flüchtlingswelle mit einer Information, die Zeitungen im vergangenen Jahr in Tschetschenien streuten. Demnach würde jeder Asylbewerber in Deutschland ein „Begrüßungsgeld“ von bis zu 4000 Euro pro Person erhalten. Das Gerücht hält sich seitdem hartnäckig und hat offenbar Tausende Tschetschenen zur Auswanderung bewegt.

„Wir beobachten, dass professionelle Schleusernetzwerke entstanden sind, die ganze Familien innerhalb weniger Wochen in die Bundesrepublik bringen“, sagte ein Vertreter der Sicherheitsbehörden der „Welt“. In jeder Nacht kommen demnach 20 bis 40 kaukasische Flüchtlinge über die Grenze nach Deutschland.

Die „Hauptreiseroute“ ist bekannt

„Seit diesem Januar beobachtet die Bundespolizei einen nicht unerheblichen Anstieg von unerlaubt eingereisten russischen Staatsangehörigen, die ganz überwiegend bereits ein Asylverfahren in Polen betreiben“, erklärte das Bundespolizeipräsidium Potsdam im Gespräch mit der „Welt“. Im Halbjahresvergleich mit 2012 habe sich die Zahl dieser festgestellten illegalen Einreisen etwa verdreifacht.

Die Bundespolizei weiß genau, wie die Schleuserbanden ihre Schützlinge in die Bundesrepublik bringen. „Die Hauptreiseroute verläuft mit der Bahn und Bussen über Moskau und Brest nach Terespol in Polen. Von dort erfolgt die Weiterfahrt in der Regel mit Kraftfahrzeugen, Taxis oder Bussen über Warschau nach Deutschland“, heißt es im Bundespolizeipräsidium.

Vereinzelt beobachte man auch Anreisen über die Tschechische Republik nach Bayern und Sachsen. Da zwischen Russland und Weißrussland keine Grenzkontrollen stattfinden, ist den Kaukasiern, die mehrheitlich einen russischen Pass besitzen, die Durchreise problemlos möglich. Anschließend werden die Flüchtlinge zum Beispiel in das angrenzende Brandenburg geschleust, wo sie häufig in Asylbewerberheimen unterkommen.

Mittlerweile wird auch beobachtet, dass die Schleuser verstärkt auf die sogenannte südliche Route setzen. So gelangen Flüchtlinge vermehrt über die Ukraine, Moldawien, Rumänien oder Bulgarien bis nach Tschechien. Von dort geht die Reise dann nach Bayern.

Flüchtlinge wollen aufgegriffen werden

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Bei den Schleusern soll es sich mehrheitlich um Weißrussen handeln, die vom Ausland aus agieren und selbst letztlich nicht einreisen. „Die Strategie der Schleusernetzwerke ist es, die Flüchtlinge noch im Kaukasus auf das deutsche Asyl-Verfahren vorzubereiten“, sagte ein Bundespolizist der „Welt“. Im polnisch-weißrussischen Grenzgebiet würden sie professionell für die Einreisebefragung in Deutschland geschult.

„Es geht nicht wie bei anderen Schleusungen darum, die Polizeikontrollen oder die Festnahme zu vermeiden“, erläuterte ein Ermittler. „Sie arbeiten gezielt darauf hin, dass die Flüchtlinge auf deutschem Boden aufgegriffen werden.“

Ziel sei es letztendlich, bei der Befragung durch die deutsche Polizei den Flüchtlingsstatus gemäß der Genfer Konvention zu erhalten. Unter den Asylbewerbern befinden sich nach Erkenntnissen von Polizei und Verfassungsschutz aber nicht nur radikale Islamisten, sondern auch Mitglieder von Mafiabanden, die unter den Flüchtlingen neue Mitglieder anzuwerben versuchen – nicht selten mit Gewalt.

„Töten von der Pike auf gelernt“

Schon werden radikale Ideen diskutiert, um des Problems zumindest ansatzweise Herr zu werden: Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fordert, dass gefährliche Flüchtlinge aus Tschetschenen in einem Hochsicherheitstrakt untergebracht werden.

„In einer zentralen Unterkunft, die rund um die Uhr überwacht wird“, sagte Wendt der „Welt“. Er hält es aus Sicherheitsgründen für geboten, Gewalttäter von den friedfertigen Flüchtlingen abzutrennen. „In normalen Flüchtlingsunterkünften hätten sie sonst leichtes Spiel, Landsleute zu unterdrücken und junge Menschen für ihre verbrecherischen Missionen zu rekrutieren“, erklärte Wendt.

Der Gewerkschaftschef warnt, die tschetschenischen Islamisten seien tickende Zeitbomben: „Die Kämpfer kommen aus einem Bürgerkrieg, wo sie das Töten buchstäblich von der Pike auf gelernt haben.“

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