Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Verschuldete Kommunen bitten die Bürger zur Kasse

Wirtschaft Pleite-Städte

Klamme Kommunen bitten die Bürger zur Kasse

Über Deutschlands Städten kreist der Pleitegeier. Jede zweite Kommune steckt in den roten Zahlen, jede dritte kann ihre Schulden nicht zurückzahlen. In ihrer Not verärgern sie ihre Einwohner.

Die Schere zwischen armen und reichen Städten in Deutschland geht weiter auseinander. Zwar konnten die deutschen Kommunen dank sprudelnder Steuereinnahmen und Hilfen ihrer Bundesländer erstmals seit 2008 den Gesamtschuldenstand reduzieren – wenn auch nur um 0,04 Prozent.

Doch von der guten Konjunkturentwicklung konnten längst nicht alle Städte profitieren, ermittelte die Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Sie befragte dazu 300 deutsche Kommunen und analysierte die Verschuldungssituation von Städten mit mindestens 20.000 Einwohnern.

In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen und dem Saarland stieg die Gesamtverschuldung der Kommunen 2013 weiter an. Am höchsten ist die Pro-Kopf-Verschuldung in Saarland und Hessen mit mehr als 3000 Euro. Jede zweite Kommune verbuchte ein Haushaltsdefizit, für das laufende Jahr rechnen sogar fast zwei Drittel der Städte mit höheren Ausgaben als Einnahmen.

Jede dritte Kommune glaubt nicht, dass sie ihre Schulden aus eigener Kraft zurückzahlen kann. Jede fünfte ist bereits unter einen kommunalen Rettungsschirm geschlüpft. Fünf Bundesländer haben Entschuldungsfonds für ihre klammen Kommunen aufgelegt: Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter

Vor allem ohnehin finanzschwache Kommunen geraten immer tiefer in die roten Zahlen. Im Durchschnitt stieg die Verschuldung der armen Kommunen 2012 um 5,5 Prozent auf 3337 Euro je Einwohner. Weniger hoch verschuldete Städte konnten ihre Schuldenstand dagegen reduzieren – um rund elf Prozent auf 477 Euro je Einwohner.

In den kommenden Jahren dürfte sich die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnen, sagt die Beratungsgesellschaft voraus. Denn von den Kommunen, die derzeit ein Haushaltsdefizit verzeichnen, prognostizieren 58 Prozent einen weiteren Schuldenanstieg, nur 31 Prozent rechnen mit einem Rückgang der Verschuldung. Bei den Kommunen mit Haushaltsüberschuss überwiegt dagegen der Anteil derer, die einen Schuldenabbau erwarten (42 zu 39 Prozent).

„Die Zweiklassengesellschaft unter den deutschen Kommunen verfestigt sich“, warnte Hans-Peter Busson, Partner bei EY und Leiter des Bereichs Government und Public Sector in Deutschland. „Die wohlhabenden Kommunen in wirtschaftsstarken Regionen profitieren von der guten Wirtschaftslage und können dank geringer Verschuldung und hoher Einnahmen mit attraktiven Angeboten um Unternehmensansiedlungen und Zuzügler werben.“

Auf der anderen Seite aber wachse die Zahl finanzschwacher Gemeinden, die ihre Leistungen immer weiter reduzieren müssen und mangels Attraktivität im Standortwettbewerb an Boden verlieren.

„Die Gebührenschraube wird immer weiter angezogen“

Angesichts der desolaten Finanzlage vieler Städte kommt auf die Bürger nach Einschätzung der EY-Berater eine Welle von Leistungskürzungen und Gebührenerhöhungen zu. Drei Viertel der Kommunen wollen in den kommenden zwei Jahren Steuern und Gebühren erhöhen, beispielsweise für Friedhöfe, Kitas und Ganztagsschulen.

Anzeige

Jede fünfte Kommune will die Grundsteuer heraufsetzen und die Eintrittspreise für Bäder und Konzerte erhöhen. „Die Gebührenschraube wird immer weiter angezogen“, sagt Busson. „Dieser Trend hält schon seit Jahren an, und ein Ende ist nicht abzusehen.“ Jede dritte Kommune will auch Leistungen reduzieren oder ganz einstellen, etwa bei der Straßenbeleuchtung oder in der Senioren- und Jugendarbeit.

Dass die Kämmerer eher auf Steuer- und Gebührenerhöhungen setzen als auf Sparmaßnahmen, hat nach Einschätzung Bussons auch politische Gründe. Die Erhöhung von Steuern treffe zumeist auf weniger Widerstand als die Einschränkung kommunaler Leistungen. Busson: „Die Schließung des Hallenbades oder der Bibliothek bringt viele Bürger auf die Barrikaden, eine Erhöhung der Hundesteuer oder der Friedhofsgebühren ist dagegen zumeist leicht durchzusetzen – bringt aber deutlich weniger ein.“

Schuldenbremse dürfte die Situation noch verschärfen

Der aktuelle Konsolidierungskurs der Kommunen könne sich als Bumerang erweisen, warnt Busson. Viele Kommunen versuchten ihre Finanzprobleme in erster Linie durch Gebühren- und Steuererhöhungen in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig fahren sie die Investitionen herunter – und beschleunigen so den Verfall der öffentlichen Infrastruktur. Das Ergebnis sei eine Abwärtsspirale mit erheblichen langfristigen Negativfolgen für die Wettbewerbsfähigkeit.

Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse dürfte die Situation noch verschärfen. Denn einige Bundesländer dürften dann ihre Zahlungen an die Kommunen reduzieren, um die Vorgaben einzuhalten. Nachdem in den vergangenen Jahren sowohl der Bund als auch viele Länder substanzielle Beiträge zur finanziellen Unterstützung der Kommunen geleistet hätten, so Busson, liege der Ball jetzt wieder bei den Kommunen.

Zumal es nach wie vor Städte gebe, die über ihre Verhältnisse lebten. Im Bereich interkommunale Zusammenarbeit und Beteiligungsmanagement schlummerten noch erhebliche Potenziale. „Kirchturmdenken verhindert vielerorts Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen“, meinte Busson. Auch der Verkauf kommunaler Beteiligungen, Immobilien und Grundstücke sollte häufiger erwogen werden. Das bringe nicht nur Geld in die Stadtkasse, sondern könnte auch die kommunale Konjunktur stärken.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema