Das Ansehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist durch den Fall Böhmermann auf den niedrigsten Wert der Legislaturperiode gesunken. Laut einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD sind nur 45 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden. Anfang April waren es dem ARD-Deutschlandtrend zufolge noch 56 Prozent. 

Die Bundesregierung hatte die Justiz am Freitag dazu ermächtigt, einem Strafantrag vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen ein Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann nachzugehen, das dieser in seiner TV-Sendung Neo Magazin Royale vorgetragen hatte.

Die Mehrheit der Deutschen lehnt diese Entscheidung ab. Laut einer Erhebung im Auftrag der Bild am Sonntag halten 66 Pro­zent der Befragten es für falsch, das Straf­ver­fah­ren wegen Belei­di­gung eines aus­län­di­schen Staats­ober­haupts gegen Jan Böh­mer­mann zu erlau­ben. 

Nur 22 Pro­zent halten demnach die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für richtig, Zwölf Pro­zent sind unent­schie­den. Auch unter CDU-Wählern stößt Merkels Haltung auf Unverständnis. Bei den Unionsanhän­gern ist die Ablehnung mit 62 Pro­zent ähnlich stark wie unter SPD-Wählern mit 63 Pro­zent.

Böhmermann hatte in seiner TV-Sendung Neo Magazin Royale den türkischen Präsidenten Erdoğan in dem Gedicht mit drastischen Worten beschrieben. Es ging um Sex mit Tieren und Kinderpornografie, überdies wurden Klischees über Türken thematisiert. Er bettete diese Schmähungen jedoch in die Moderation ein. Er sagte, dass er dies tue, um die Grenze der Meinungsfreiheit zu demonstrieren.

Erdoğan forderte unter Berufung auf Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuches juristische Schritte. Dazu war die Erlaubnis der Bundesregierung notwendig. Am Freitag hatte Merkel diese erteilt.

"Wer austeilt, muss auch einstecken"

Zahlreiche prominente Künstler haben sich bereits mit dem Satiriker Jan Böhmermann solidarisiert. In einem offenen Brief mit dem Titel Liebe Regierung, jetzt mal ruhig bleiben!, den die Wochenzeitung DIE ZEIT in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlichte, fordern sie die Staatsanwaltschaft Mainz auf, ihre Ermittlungen unverzüglich einzustellen.  

Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, kritisierte den Moderator allerdings für seine angekündigte TV-Auszeit. "Wer so scharf angreift, muss mit Gegenwind rechnen", schreibt Käßmann in der Bild am Sonntag. "Wer austeilt, muss auch einstecken." 

Käßmann kritisierte auch das ZDF für dessen Umgang mit dem Gedicht sowie Merkels Entscheidung, das Strafverfahren zuzulassen: "Ich finde, die deutsche Politik soll sich da raushalten und sich von Recep Erdoğan nicht benutzen lassen."

Erdoğan-Kritik - Ist Böhmermanns Schmähkritik juristisch erlaubt? Hat sich Jan Böhmermann mit dem Vortragen des Gedichts über den türkischen Premier strafbar gemacht? Der Jurist Alexander Thiele mit einer verfassungsrechtlichen Einschätzung im Videointerview

Auch die Enkeltochter der US-Komikerlegende Charlie Chaplin äußerte sich zu Böhmermanns Erdoğan-Satire  und zog dabei Parallelen zum Leben ihres Großvaters. "Mein Großvater wurde jahrelang von der US-Regierung daran gehindert, den Großen Diktator zu drehen, weil die deutsche Regierung mit Wirtschaftssanktionen drohte, falls es eine Satire über Hitler gibt", sagte Laura Chaplin der Bild am Sonntag.

Vom Koalitionspartner SPD, aber auch von der Opposition war scharfe Kritik an der Kanzlerin gekommen. Böhmermann selbst hat unterdessen angekündigt, bis zum 12. Mai eine Fernsehpause einzulegen. Man respektiere die Entscheidung des Moderators, teilte das ZDF mit.