Es ist nie zu spät für Diplomatie. Auch nicht im Krieg in der Ukraine, wo die jüngste Offensive der prorussischen und russischen Kämpfer die Lage noch viel schlimmer gemacht hat, als sie ohnehin schon war.

Mehr als ein Stimmungstest waren die amerikanischen Überlegungen, Waffen an die ukrainische Armee zu liefern, offenbar nicht. Er ergab: Die Europäer sind davon derzeit kaum zu überzeugen. Während seines Besuchs in Kiew verwies Außenminister John Kerry vage auf eine baldige Entscheidung von Barack Obama. Doch zeigt allein die Existenz der Waffen-Debatte, die bis vor Kurzem tabu zu sein schien: Der Westen hat kein Rezept, wie am Verhandlungstisch der Vormarsch der Separatisten zu stoppen wäre, die den ukrainischen Truppen und der Bevölkerung die Hölle bereiten. Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande wollen in Kiew und Moskau einen Waffenstillstand erreichen – ihre Chancen sind denkbar schlecht.

Der Konflikt ist in einer Phase angekommen, die allen Anlass zum Pessimismus gibt, ob derzeit überhaupt etwas zu erreichen ist – im Gespräch mit den Separatisten, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, vielleicht sogar mit der ukrainischen Regierung. Während dank deutscher und französischer Initiative nichts unversucht bleibt, über alle möglichen Kanäle eine politische Lösung zu finden, die zumindest für alle eine Atempause ermöglichen könnte, hat sich die Lage entscheidend verändert.

Solange zumindest von einer Waffenruhe noch die Rede war, deren Bruch sich die Kriegsparteien gegenseitig vorwarfen und die in der Tat eher ein diplomatisches Vehikel denn eine genaue Beschreibung der Realität war, solange konnte man sich die Hoffnung erhalten, beide Seiten hätten ein Interesse daran.

Die Separatisten haben kein Interesse an Vereinbarungen

Die ukrainische Regierung widerstand der Versuchung, einen großen Vorstoß zu unternehmen, um die von den Separatisten besetzten Gebiete zurückzuerobern – trotz ebensolcher Rhetorik des Präsidenten Petro Poroschenko. Offen ist, ob sie sich wirklich aus eigenem Antrieb nicht von den anhaltenden Angriffen der Rebellenkämpfer provozieren ließ oder sich einfach in dem Wissen zurückhielt, gegen die unablässig aus Russland bestens ausgerüsteten und verstärkten Milizen am Ende chancenlos zu sein. Die Separatisten wiederum beließen es bei vereinzelten Schlachten, die zwar nahezu täglich Tote forderten, aber längst nicht die Intensität erreichten wie vor den im September in Minsk erreichten Vereinbarungen.

Inzwischen aber darf man davon ausgehen, dass die Separatisten kein Interesse mehr daran haben, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen. Die jüngsten Versuche der Kontaktgruppe, genau dies zu erreichen, sind gescheitert – offenbar wollen die Vertreter der selbst ernannten Volksrepubliken neue Bedingungen stellen, oder besser: wenn es überhaupt zu einer Einigung kommen soll, ihre Geländegewinne abgesichert wissen.