In ihrem neuen Konzept zur zivilen Verteidigung plant die Bundesregierung auch den Einsatz von Zivilisten im Verteidigungsfall. Die "Konzeption Zivilie Verteidigung (KZV)", die Innenminister Thomas de Maizière am Mittwoch vorstellen wird, soll ein Generalplan für den Ernstfall sein. Er sieht daher vor, im Zweifel in den Arbeitsmarkt und in den Warenverkehr einzugreifen und auch die Wehrpflicht wiedereinzuführen.

Generell geht es in dem Entwurf um das Szenario, dass Deutschland zum Beispiel im Rahmen von Nato-Einsätzen das Bündnisgebiet an dessen Außengrenzen verteidigen muss und infolge dessen die Notstandsverfassung in Kraft gesetzt wird, die im Grundgesetz vorgesehen ist.

In diesem Fall würden sämtliche Strukturen Deutschlands umgebaut, um eine Notversorgung mit Wasser, Strom und Lebensmitteln zu sichern, auch wenn große Teile der Infrastruktur oder der Verwaltung zerstört sind. So könnte zum Beispiel das Recht eingeschränkt werden, dass jeder seinen Arbeitsplatz frei wählen darf. Dieses Grundrecht gelte auch im Verteidigungsfall, heißt es in dem Entwurf der Verteidigungskonzeption. "Ausnahmsweise" aber könne die Bundesagentur für Arbeit "Personen in Arbeitsverhältnisse verpflichten", wenn der Bedarf mit wichtigen Arbeitskräften nicht anders zu decken sei.

Solche "Verpflichtungen in ein Arbeitsverhältnis" seien bei Männern jedoch "unter anderem an das Bestehen der Wehrpflicht gebunden", schreiben die Autoren. Die Wehrpflicht ist in Deutschland seit dem 1. Juli 2011 ausgesetzt, da sie aus Sicht der Bundesregierung ihre sicherheitspolitische und militärische Bedeutung verloren hatte. Der Pflichtdienst ist aber weiterhin im Grundgesetz verankert und könnte mit einem einfachen Gesetz wieder eingeführt werden. Daher heißt es in dem Notfallplan: "Es ist zu prüfen, inwieweit diese Regelungen noch sachgerecht sind." Gemeint ist die Prüfung, ob eine Dienstverpflichtung auch ohne Wehrpflicht möglich wäre.

Neben der Notversorgung der Bevölkerung soll der Plan auch sicherstellen, dass die Bundeswehr arbeitsfähig bleibt, um das Land verteidigen zu können. Daher sieht der Entwurf eine zivile "Unterstützung der Streitkräfte" vor.

Die mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht bezieht sich insbesondere auf einen Passus für die Streitkräfte, in dem es unter dem Stichpunkt Post heißt: "Die schnelle und sichere Zustellung von Postsendungen mit besonderer Bedeutung für die Bundeswehr (beispielsweise Einberufungs- und Leistungsbescheide bei Wiederaufleben der Wehrpflicht) wird im Rahmen des Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetzes gewährleistet".

Ebenfalls erwähnt werden Unterkünfte, die bei einer Verpflichtung von Zivilisten notwendig würden: In diesem Fall entstehe ziviler "Unterstützungsbedarf der Bundeswehr bei Heranziehungsorganisation und Unterbringungsinfrastruktur". Im Klartext: Zivile Firmen müssten wohl beim Bau oder der Instandsetzung von Kasernen beteiligt werden. 

Erst im Juni hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betont, dass es trotz der Spannungen mit Russland und des islamistischen Terrors keinen Grund gebe, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Die in dem aktuellen Konzept angedachte Unterstützung von Zivilisten im Verteidigungsfall wäre zeitlich begrenzt.

Rationierung von Lebensmitteln

In ihrer neuen Konzeption Zivile Verteidigung schreiben Experten, die zivile Seite solle die deutschen Streitkräfte und ihre Verbündeten darin unterstützen, die Verteidigungsbereitschaft herzustellen und aufrechtzuerhalten. So solle mithilfe von Zivilisten gewährleistet werden, dass Soldaten ihre Einsatzgebiete erreichen könnten – etwa, indem diese helfen, den Straßenverkehr zu koordinieren oder Treibstoff bereitzustellen.

Auch über außermilitärische Hilfe bei der Verpflegung der Soldaten machen sich die Zivilschutzplaner Gedanken. So gebe es bei den Streitkräften "lediglich eine begrenzte Vorhaltung von Verpflegung für die Durchführung von Einsätzen". Was darüber hinaus gehe, müsse "über den freien Markt"organisiert werden, heißt es.

Für den Fall, dass die Versorgung der Soldaten über den freien Markt nicht mehr möglich ist, solle ein anderer Punkt des Konzeptes greifen: Darin steht, dass die Bundesregierung eine Ernährungsnotfallvorsorge im Krisenfall per Rechtsverordnung sicherstellen können soll, etwa durch "Abgabepflichten hinsichtlich des Anbaus, der Verarbeitung, Verteilung und des Verkaufs von Lebensmitteln". Gemeint ist eine Rationierung.

Das Sicherheitskonzept soll am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden.