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Meinung Führungsmacht

Amerika ist zu schwach, die unruhige Welt zu ordnen

Trump wird verlieren, aber er wird die Nation nachhaltig schwächen Trump wird verlieren, aber er wird die Nation nachhaltig schwächen
Trump wird verlieren, aber er wird die Nation nachhaltig schwächen
Quelle: dpa/EPA
Selbst wenn Donald Trump verliert: Niemals waren die USA so voller Zweifel über sich selbst und ihre Rolle in der Welt. Dabei wird die amerikanische Ordnungsmacht heute mehr gebraucht denn je.

Er redet und tritt auf, wirft sich in die Brust und tischt Lügen auf, als wolle er nicht Präsident einer großen Republik werden, sondern Führer einer hasserfüllten, frustrierten, Rache heischenden Gefolgschaft.

Donald Trump biegt sich die Welt nach Lust und Laune zurecht, von den obskuren Anfängen bis zu den zügellosen Verunglimpfungen der letzten Wochen niemals mehr als ein unwahrscheinlicher Sieger.

Inzwischen ist aus dem Extremisten der Mitte längst die Nemesis der republikanischen Partei geworden. Deren Zauberlehrlinge haben mit der Tea-Party-Bewegung ein Monstrum entfesselt, dessen sie nicht mehr Herr werden.

Die Europäer finden sich fassungslos und ratlos vor der Frage, wer künftig Amerikas Führungsrolle übernehmen soll, wenn nicht Amerika selbst. Doch der so unentbehrliche wie unheimliche Freund, so werden die Europäer gewahr, folgt eigenen historischen Programmen und schenkt europäischen Einwänden nur flüchtiges Gehör.

Konflikte, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben

Ist auf geschichtliche Traditionen, Sitten und Gebräuche, Verträge und Versprechen, ja selbst manifeste Interessen noch Verlass? Ist dieses zerrissene Land noch das Amerika, das vor sieben Jahrzehnten die Alte Welt rettete und eine liberale Weltordnung ins Leben rief, unter Schmerzen und Opfern?

Das Amerika, das seine Soldaten als Geisel der Bündnistreue auf dem alten Kontinent stationierte und die nationale Existenz nuklear verpfändete, um Europa vor der Pax Sovietica zu bewahren wie vor seinen alten Dämonen?

Europa, 1945 ein Ruinenfeld, bekam unerwartete, glückliche Jahrzehnte der Prosperität, des Ausgleichs und des Friedens geschenkt. Die Sowjetmacht wurde auf Abstand gehalten mit der sanften Macht der Demokratie, aber auch der Bereithaltung nuklearer Abschreckung und konventioneller Verteidigung.

Der Wahlkampf in Amerika offenbart Risse und Konflikte, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben – Globalisierung, Digitalisierung, Desorientierung – aber jetzt amerikanische und unausweichlich weltweite Wirkung zeigen.

„Trumpism“ wird tiefe Spuren hinterlassen

Trump wird verlieren, wenn nicht noch Unerwartetes passiert und Geschwader schwarzer Schwäne einfallen. Aber seine verwirrte und verwirrende Predigt wird langen Nachhall haben, die Nation spalten und Amerika schwächen. Hass und Feindschaft werden bleiben und nicht nur God’s own country seelisch und politisch transformieren, sondern auch weltweit Gefolgschaft finden.

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Auch wenn die Erfolgschancen Trumps, je monströser er agiert und agitiert, zu sinken beginnen und das Oval Office ihm verschlossen bleiben wird: Er hat es weit gebracht, der als krasser Außenseiter, verlacht und eine Randfigur, begonnen hatte, Baulöwe aus New York, mehrfacher Pleitier und Spielhallenbesitzer.

Amerikaner sehnen sich nach stilvollerem Wahlkampf

In den USA macht ein alter, sehr freundlicher Brief von Ex-Präsident Bush senior an seinen Nachfolger Bill Clinton die Runde. Die Öffentlichkeit scheint genug zu haben vom derzeitigen hasserfüllten Wahlkampf.

Quelle: Die Welt

Sein Geheimnis lag und liegt in der Unterschätzung der Kräfte, die ihn emporgetragen haben aus der Obskurität fragwürdiger Geschäfte in Reichweite der Spitze des mächtigsten Landes der Welt. Wäre er nicht auch sein eigener größter Widersacher, so könnte er möglicherweise mit dem Oval Office seine Real-Estate-Karriere krönen: Donald, der Allergrößte.

Wie auch immer am 9. November in der Frühe der Welt ihr Schicksal made in the US verkündet wird: „Trumpism“, wie die Amerikaner die Donald-Horror-Show nennen, wird tiefe Spuren in der amerikanischen Res Publica hinterlassen: Selbstzweifel, Entfremdung bei allen Freunden, Bündnispartnern und Schutzbefohlenen der letzten Supermacht.

Amerikas Krise ist Krise der Demokratie weltweit

Auch wenn Hillary Clinton, wie zu erwarten, die Mehrheit gewinnt – sie wird ein zerrissenes Land mit sich selbst zu versöhnen haben wie mit der unumkehrbaren Logik der Globalisierung. Sie wird Heilerin und Versöhnerin sein müssen. Beides war bisher nicht ihre Stärke.

In den kriegsschwangeren Konflikten mit Russland und China indes wird sie die Rolle des Falken geben, und den Europäern wird vom Zuschauen schwindlig werden. Zuletzt und vor allem aber wird weltweit die Frage die Politik zernagen, ob die amerikanische Demokratie einer unheilbaren inneren Krankheit verfallen ist, möglicherweise ansteckend, ohne Arzt und ohne Gegengift.

Amerikas Krise ist Krise der Demokratie weltweit, nur jeweils unter anderem Namen: Orbán, Wilders, Le Pen, Erdogan und wie die Feinde der offenen Gesellschaft alle heißen. Brexit ist Vorgeschmack dessen, was kommen kann: Ausgerechnet im Mutterland der parlamentarischen Demokratie ein selbstzerstörerischer Akt, gefüttert durch Halbwahrheiten, Demagogie und Nostalgie einer verlorenen Zeit.

Von Moskau bis Peking wird Schadenfreude regieren ob der amerikanischen Malaise, auf Amerikas Gegenküsten aber, Atlantik und Pazifik, wird das Schauspiel amerikanischer Selbstzerstörung Heulen und Zähneklappern hinterlassen, Zerfallsprozesse und Desorientierung.

Ohne die USA ist Weltordnung unmöglich

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Was heute noch nicht mehr ist als Ahnung kommenden Unheils, kann morgen in Führungslosigkeit, Krisen und Kriegen enden. Mit den USA ist Weltordnung schwierig und äußerst zerbrechlich; ohne die USA als Hüter der globalen Umgangsformen unmöglich.

Novus ordo seclorum – die neue Weltordnung ist kein leeres Wort: Man kann es auf jeder One-Dollar-Bill nachlesen, eingraviert auf dem Großen Siegel der Vereinigten Staaten, Jahreszahl 1776.

Den Völkern ein Leuchtturm zu sein, ist das stolze und im Prinzip grenzenlose Versprechen der Amerikaner an sich selbst und den Rest der Welt, seitdem dreizehn Siedlerstaaten an der Ostküste gegen Großbritannien, Bevormundung und ungerechte Steuern rebellierten. Die Pilgerväter hatten schon ein Jahrhundert früher in biblischer Sprache die leuchtende Stadt auf den Bergen ausgerufen, Verheißung des Herrn und Hoffnung der Völker.

Ein Jahrhundert lang war Amerika dann mit der Ausfüllung des Kontinents beschäftigt, nicht immer mit Reden und Majoritätsbeschlüssen, um ein Bismarck-Wort aus seinem Kontext zu reißen, sondern mit Eisen und Blut.

Doch von der Monroe-Doktrin, mit der die Amerikaner sich die westliche Hemisphäre zusprachen und ausländischen Interventionen entgegentraten, bis zu der Wilson-Botschaft in Richtung Mittelmächte am Ende des Ersten Weltkriegs „to make the world safe for democracy“ ging es stets um Demokratie als ureigene amerikanische Friedensmission, in deren Namen wenn nötig guten Gewissens auch Krieg zu führen war – und in deren Namen allein.

Dann hörte der Kalte Krieg einfach auf. Amerikas Denkwerkstätten kündeten die Frohbotschaft, es sei das Ende der Geschichte eingetreten. Harvards Joseph Nye schrieb von „Soft Power“ und mahnte zugleich die Amerikaner, im Weltmaßstab zu führen: „Bound to Lead“. Doch nie war die Welt so voll Unordnung wie heute; amerikanische Führung so unersetzbar – und niemals so ungewiss ihrer selbst und allen anderen.

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