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Ausland Angst vor Putin

Polen entdeckt die Liebe zu Angela Merkel wieder

Merkel zu Besuch bei ihren schärfsten Kritikern

Auf ihrer Europareise macht Angela Merkel in Polen Station. Der Besuch gehört zu den schwierigen Terminen: Mit ihrer Flüchtlingspolitik sind viele Polen nicht einverstanden.

Quelle: Die Welt

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Mit ihrer Flüchtlingspolitik hat sich die Kanzlerin in Polen unbeliebt gemacht. Doch plötzlich wird sie wieder umgarnt. Und das liegt ausgerechnet an den Erfolgen von AfD und Linkspartei.

Angela Merkel, Katharina II., Friedrich II. und Martin Schulz stehen gemeinsam an einem Tisch und beugen sich über eine Polen-Karte. Alle vier Politiker halten ihre Finger auf das Papier, als wolle jeder ein Stück von dem Land abhaben. Dieser polnische Albtraum war erst im Januar als Fotomontage auf dem Umschlag des rechtsgerichteten Politikmagazins „wSieci“ zu sehen, dessen Verlag beste Beziehungen zur regierenden nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterhält und diese publizistisch unterstützt. Der Titel: „Von Zarin Katharina zu Angela Merkel — Verschwörung gegen Polen“.

Die Botschaft: Alle sind gegen Polen. Und: Das war früher schon so und ist auch heute noch so und wird wahrscheinlich auch immer so bleiben: Russen, Deutsche, Preußen, die EU und allen voran Angela Merkel.

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Es ist also noch nicht einmal ein Jahr her, dass Polens regierungsnahe Medien aggressiv Stimmung gegen Deutschland und vor allem gegen die Kanzlerin machten.

Heute sieht man solche Titelbilder nicht mehr. Der Ton gegenüber Merkel ist in Polens rechtsgerichteten Medien milder geworden. Und Polens liberale Medien hatten sowieso nie etwas gegen sie. Ein Grund für die Kehrtwende ist offenbar, dass der Erfolg der AfD und der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin den Polen Alternativen für eine deutsche Regierung vor Augen geführt hat: Es ist realistisch geworden, dass eine der Parteien an der Regierung beteiligt sein könnte. Beide Möglichkeiten wecken in Polen jedoch große Ängste. Der Grund: Die Putin-Freunde von links und rechts.

„Wer würde eine solche Kanzlerin zum Teufel jagen?“

Von Deutschland und Russland in die Zange genommen zu werden, ist eine Urfurcht der Polen: Ende des 18. Jahrhunderts teilten Russen, Preußen und Habsburger das Land so lange untereinander auf, bis es von der Landkarte verschwunden war. Erst mit dem Ende des Ersten Weltkriegs entstand wieder ein eigenständiger polnischer Staat. Der konnte nur so lange bestehen, bis wieder Deutsche und Russen mit dem Ribbentrop-Molotow-Pakt das Schicksal des Landes besiegelten und das Dritte Reich den Zweiten Weltkrieg begann. Es folgten mindestens sechs Jahre der Hölle. Die deutschen Besatzer richteten ein beispielloses Blutbad an. Die Sowjets gingen ebenfalls äußerst brutal vor und zwangen dem Land ihr System auf, unter dem es noch Jahrzehnte leiden sollte.

Jaroslaw Kaczynskis PiS-Partei hat nur auf den ersten Blick viel mit der AfD gemeinsam
Jaroslaw Kaczynskis PiS-Partei hat nur auf den ersten Blick viel mit der AfD gemeinsam
Quelle: Getty Images/Gallo Images Editorial

Dieser Hintergrund ist wichtig, um zu verstehen, weshalb Jaroslaw Kaczynskis nationalkonservative PiS in der AfD nicht ihren natürlichen Verbündeten sieht, obwohl sie so vieles gemeinsam haben: Beide Parteien sind gegen Einwanderung, beide sehen im Islam eine große Gefahr für Europa, beide sind für mehr Befugnisse des Nationalstaates und weniger Euro-Zentralismus.

Passt doch wunderbar. Könnte man meinen. Doch auf dem PiS-nahen Politikportal wpolityce.pl erschien nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ein extrem AfD-kritischer Artikel des konservativen Deutschlandkenners Piotr Cywiński, der erklärt, warum dies nicht der Fall ist.

Das Portal wpolityce.pl entsteht in Zusammenarbeit mit dem Magazin „wSieci“, dem Magazin, das im Januar noch die Merkel-feindliche Fotomontage auf dem Titel hatte. Auch dort liest man nun plötzlich ungewohnt schmeichelnde Worte über die Kanzlerin: Die Wirtschaft wachse, die Arbeitslosigkeit sei niedrig. „Wer würde eine solche Kanzlerin zum Teufel jagen?“ Und der Autor warnt: „Die polnischen AfD-Sympathisanten begreifen immer noch nicht, wie das politische Erdbeben jenseits der Oder für uns alle enden kann.“

„Würde Gauland Außenminister, dann gute Nacht Polen!“

Der Hauptgrund für diese Einschätzung ist die Russlandpolitik der Partei. „Gauland wünscht sich geradezu eine bismarcksche Zusammenarbeit mit Präsident Wladimir Putin“, schreibt Cywiński. „Sollten die deutschen Wähler so verrückt sein, dass die AfD mittels einer sonderbaren Koalition an die Macht gelangt und Gauland Außenminister wird, dann gute Nacht Polen!“, schreibt er.

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PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski stimmt dieser Einschätzung offenbar zu. „Angela Merkel ist für uns die beste Lösung“, sagte er im Juli gegenüber der „Bild“.

Aber nicht nur von rechts, auch von liberaler Seite blickt man in Polen sorgenvoll auf die Alternativen zur Kanzlerin. Nach der Wahl in Berlin erschien in der „Gazeta Wyborcza“ ein Artikel über die Gefahr einer rot-rot-grünen Koalition in Deutschland auf Bundesebene.

Aus polnischer Sicht wäre eine solche „extrem ungünstig“, schreibt darin der Deutschland-Experte Bartosz T. Wielinski. Denn diese Koalition würde „gegenüber dem putinistischen Russland“ deutlich „verständnisvoller und zurückhaltender“ auftreten. Man müsse sich nur einmal die Worte von Sigmar Gabriel anhören, der eine schnelle Aufhebung der Sanktionen fordert. Oder die Steinmeiers, der die Nato-Manöver im Baltikum als unnötige Provokation kritisiere.

Die Haltung Polens kommentierte vor Kurzem Polens ehemaliger Außenminister Radoslaw Sikorski in einem Interview mit der „Gazeta Wyborcza“: „Wir glauben, dass die Situation ähnlich zu den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts ist. Auf der anderen Seite ist ein Diktator, und wenn wir ihm nicht Einhalt gebieten, ermutigen wir ihn zum Angriff.“

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